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07.12.2021 09:00

Transparenzgebot vs. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Der BGH räumt dem Transparenzgebot den Vorrang ein: Er spricht einem unterlegenen Bieter ein umfassendes Recht auf Akteneinsicht im Konzessionierungsverfahren zu.
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In seinem Urteil „Gasnetz Rösrath“ vom 07.09.2021, Az. EnZR 29/20, sah sich der BGH mit der Frage konfrontiert, in welchem Umfang ein im Konzessionierungsverfahren unterlegener Bieter ein Akteneinsichtsrecht in die Verfahrensakte der Gemeinde geltend machen kann.

Der BGH hat diese Frage zugunsten des unterlegenen Bieters beantwortet: Er hat ihm ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zugesprochen. Danach ist eine Gemeinde grundsätzlich verpflichtet, einem unterlegenen Bieter eine ungeschwärzte und vollständige Kopie des Auswertungsvermerks zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen hiervon sind nur dann möglich, wenn der unterlegene Bieter entweder bereits auf andere Weise alle zur Wahrung seiner Rechte erforderlichen Informationen erhalten hat oder mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Übermittlung des Auswertungsvermerks dem unterlegenen Bieter die Durchsetzung seiner Rechte erleichtert.

Darüber hinaus beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob und in welchem Umfang eine Gemeinde Schwärzungen im Auswertungsvermerk vornehmen kann. Nimmt die Gemeinde Schwärzungen vor, hat sie nach Auffassung des BGH deren Notwendigkeit zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu begründen. Für jede Angabe hat die Gemeinde substantiiert darzulegen, welche schützenswerten Interessen des betreffenden Bieters in welchem Umfang eine Beschränkung der Auskunft erfordern sollen. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse wird dabei nur zurückhaltend anerkannt. Ein solches liege beispielsweise dann vor, wenn der im Verfahren erfolgreiche Bieter ein Unternehmen ist, an dem die Gemeinde mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Soll der Konzessionsvertrag also an das eigene Stadtwerk vergeben werden, wird bei einem Akteneinsichtsbegehren eines unterlegenen Bieters der Auswertungsvermerk weitgehend ungeschwärzt herauszugeben sein.

Das sehr weite Akteneinsichtsrecht begründet der BGH damit, dass der Grundsatz des Geheimwettbewerbs im Fall der öffentlichen Auftragsvergabe von vornherein durch das Transparenzgebot begrenzt werde. Dabei sei es auch hinzunehmen, dass ein unterlegener Bieter das eigene Angebot in einem neuen Konzessionierungsverfahren aufgrund der über den Akteneinsichtsantrag erlangten Erkenntnis an das Angebot des obsiegenden Bieters anpasst. Im Ergebnis räumt der BGH dem Transparenzgebot einen klaren Vorrang gegenüber dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Bieters ein.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autor: Dr. Sven Höhne

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