29.04.2022 13:00
© Maksym Kaharlytskyi / Unsplash
Das Bundeskabinett hat am 25.04.2022 im schriftlichen Umlaufverfahren die Novelle des Energiesicherungsgesetzes aus dem Jahr 1975 beschlossen. Dies gab das BMWK zunächst in einer Pressemitteilung zusammen mit einer „Formulierungshilfe“ bekannt. Mittlerweile gibt es einen ersten formellen Gesetzesentwurf, den die Fraktionen der Regierungskoalition in den Bundestag eingebracht haben (BT-Drs. 20/1501).
Zum Hintergrund
Das Energiesicherungsgesetz stammt in seiner aktuell gültigen Fassung von 1975. Es wurde seinerzeit als Reaktion auf die Ölkrise geschaffen und ist seither praktisch unverändert. Es enthält Ermächtigungen für den Staat, in einer (zivilen) Krisensituation für die Energieversorgung (Strom, Erdgas, Öl, Kohle) Maßnahmen zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu ergreifen, u.a. durch Rechtsverordnungen. Die GasSV, welche die Grundlage für die Sicherung der Erdgasversorgung darstellt, ist eine dieser Verordnungen.
Geplante Neuregelungen
Für die energieintensive Industrie dürften zwei Neuerungen besonders spannend sein:
Sicherheitsplattform Gas
Zum einen enthält der Entwurf die Rechtsgrundlage zur Errichtung einer (Online-) Plattform für die Umsetzung von Krisenmaßnahmen zur Energieversorgungssicherheit („Digitale Plattform für Erdgas“, vgl. § 2b EnSiG-E). Dabei handelt es sich um die sog. Sicherheitsplattform Gas, die ab dem 1. Oktober 2022 ihren Betrieb aufnehmen soll. Bereitgestellt werden soll sie vom Marktgebietsverantwortlichen (THE).
Damit das möglich ist, werden Registrierungs-, Auskunfts- und Meldepflichten erheblich ausgeweitet. So sollen neben Gashändlern und Netzbetreibern u.a. industrielle und gewerbliche Erdgaskunden mit einer technischen Anschlusskapazität von mindestens 10 MW/h als Endverbraucher verpflichtet werden, sich binnen Monatsfrist (ab Bereitstellung der Plattform) dort zu registrieren sowie unverzüglich alle für die Sicherstellung der Energieversorgung erforderlichen Daten zu hinterlegen und aktuell zu halten (§ 1a GasSV-E). Dies dient dem Zweck, auf Basis dieser Daten im Krisenfall identifizieren zu können, welche Reduzierungspotentiale bestehen und wo ggf. Abschaltungen erfolgen sollen.
Um schon vorher handlungsfähig zu sein und im Ernstfall eine informierte Entscheidung treffen zu können, hat die BNetzA bereits jetzt eine entsprechende Datenabfrage bei den betroffenen Endverbrauchern zwischen 2. – 15. Mai 2022 angekündigt. Weitere Informationen hierzu finden Sie hier RGC berichtete und auf der Internetseite der BNetzA.
Gesetzliches Preisanpassungsrecht
Der Gesetzesentwurf sieht für Energieversorgungsunternehmen durch die gesamte Lieferkette hinweg ein einseitiges Preisanpassungsrecht auf ein „angemessenes Niveau“ (§ 24 EnSiG-E) vor, wenn
Die Preisanpassung ist dem Kunden „rechtzeitig vor ihrem Eintritt mitzuteilen“.
Der Kunde erhält dann ein Sonderkündigungsrecht. Dieses soll grundsätzlich „unverzüglich“ nach Zugang der Preisanpassungsmitteilung ausgeübt werden. Welche tatsächliche Handlungsalternative ein solches Sonderkündigungsrecht in einer Energiepreiskrise, in der wir uns bereits jetzt befinden, und der dann ja hinzutretenden Energiemangellage mit Gasknappheit sein kann, ist wohl stark zu hinterfragen.
Zweck der Regelung soll sein, „die Marktmechanismen und Lieferketten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und Kaskadeneffekte zu verhindern“. Gemeint sind damit insbesondere drohende Insolvenzen der betroffenen Energieversorgungsunternehmen und damit ein vollständiges Zusammenbrechen der Energieversorgung. Hier sehen wir gleichwohl deutlichen Nachschärfungsbedarf im Gesetzgebungsverfahren. Jedenfalls müssten aber die Mehrkosten bei der Industrie abgefedert werden. Zu den bisherigen Plänen der Bundesregierung hierzu haben wir hier berichtet.
Immerhin: Ist festgestellt, dass eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland nicht mehr vorliegt, erhält der Kunde das Recht auf „Vertragsanpassung“. Auch hier ist die Entwurfsfassung jedoch noch sehr unbestimmt und sollte nachgeschärft werden.
Weitere Regelungen
Auch darüber hinaus sieht der Entwurf weitreichende Instrumente vor, wie im Krisenfall in den Energiemarkt eingegriffen werden kann:
Weitere Einzelheiten können den FAQ des BMWK zur EnSiG-Novelle entnommen werden.
Autoren: Dr. Franziska Lietz
Yvonne Hanke