Melde dich an, um deine freigeschalteten Inhalte nutzen zu können.

17.02.2023 10:00

Bundesrat sieht Notwendigkeit der Anhebung von EU-Schwellenwerten

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Schwellenwerte der Europäischen Union, ab deren Erreichen öffentliche Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, seit langem nahezu unverändert. Dies sieht er als nicht mehr zeitgemäß an und hat nun einen diesbezüglichen Beschluss gefasst, der die Bundesregierung zum Handeln auffordert.
Loading

© Christian Lue/unsplash

Der derzeitige EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen liegt bei 215.000 €, für Bauleistungen bei 5.382.000 € (jeweils Nettobeträge). Bei Leistungen ab dieser Größenordnung wird eine Binnenmarktrelevanz angenommen und der Auftrag muss zur Förderung des europäischen Wirtschaftsraumes und dessen Zusammenwachsen europaweit ausgeschrieben werden.

Die Schwellenwerte sind 1994 auf Basis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschlossen und seitdem zwar alle zwei Jahre angepasst, aber nicht grundlegend geändert worden. Die Inflation und gestiegene Marktpreise führen dazu, dass heute Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, die 1994 noch nicht als binnenmarktrelevant angesehen wurden und – nach Ansicht des Bundesrates – wohl auch heute nicht notwendiger Weise so zu bewerten sind.

Problematisch sei aus Sicht des Bundesrates insbesondere der bürokratische Aufwand, der mit einer europaweiten Ausschreibung einhergehe. Sowohl für die Auftraggeber-, als auch für die Auftragnehmerseite entstünde ein enormer Verwaltungs- und Kostenaufwand und schnelle Investitionen würden erschwert. Gerade in der föderal organisierten Bundesrepublik sei die Möglichkeit konjunkturstützender schneller Investitionen jedoch von besonderer Bedeutung. Deshalb werde dringender Handlungsbedarf gesehen, die EU-Schwellenwerte an die zwischenzeitliche Preisentwicklung anzupassen.
Nach Vorstellung des Bundesrates sollte diese Anpassung anschließend unter dem Gesichtspunkt des Inflationsausgleichs jährlich überprüft werden. Die momentane zweijährliche Überprüfung, welche sich auf die Anpassung an Wechselkursentwicklungen beschränke, wird als nicht ausreichend angesehen.
In seinem Beschluss erwähnt der Bundesrat speziell die Vergabe von Planungsleistungen und freiberuflichen Leistungen. Hier läuft gerade ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten bzgl. der nationalen Vorgaben für die Auftragswertschätzung solcher Leistungen (wir berichteten). Sollte die aktuelle deutsche Sonderregelung danach keinen Bestand haben, müssten schon verhältnismäßig kleine Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auf dieses Risiko und die damit verbundenen Gefahren wiesen zuletzt auch die Verbände der planenden Berufe und die kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Resolution hin. Der Bundesrat regt daher die Einführung eines Sonderschwellenwertes für diesen Leistungsbereich an. Sollte dies nicht erreichbar sein, sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU eingestuft werden, so dass hierfür der erhöhte EU-Schwellenwert von 750.000 € gelten würde.
Da die EU-Schwellenwerte auf Verpflichtungen der EU durch das Internationale Beschaffungsübereinkommen, dem Government Procurement Agreement (GPA) beruhen, ist der Beschluss des Bundesrates lediglich eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für die im Beschluss genannten Ziele einzusetzen. Er hat keine unmittelbaren (vergabe-)rechtlichen Konsequenzen.

„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Autorin: Prof. Dr. Angela Dageförde

Kategorien: